Fake News und das PostFaktische

Hadmut Danisch hält Fake News in seinem Blog (30.12.1016) für „Hacken im Ursinne", also für eine gesunde Herausforderung wider das System und zugunsten seiner Immunkräfte. Wenn aber mittlerweile jeder Wahrheiten "hackende" Zweifler ein Verschwörungstheoritiker oder Populist genannt werde, dann sei das allzu bequem, weil man kein Hirn braucht.

 

Die Krise des Diskurses, so Anna Sauerbrey im Tagesspiegel (30.1.2016) "beginnt in dem Moment, in dem Individualisierung in Entgesellschaftung umschlägt; dem Moment, in dem wir anfangen, uns und unsere Perspektive als ausreichend zu empfinden, um die Welt in ihrer Gänze zu erfassen. Die Krise hat begonnen, als wir anfingen, uns selbst genug zu sein. ... Es braucht ein größeres, offenes Abwägen, ein Zusammentragen aller normativen Argumente und realer Folgen. Doch auch dem steht die Illusion der Selbstgenügsamkeit im Weg. Für den Einzelnen haben einzelne Tatsachen ein subjektives Gewicht, das nicht dem Gewicht der Tatsache für die Gemeinschaft insgesamt entsprechen muss. ... Als informationelle Einzelgänger sind wir blind. Wir brauchen die Perspektiven der anderen, um uns zu verständigen – und um die Welt zu verstehen".

 

Eigentlich leben wir heute in den faktischsten aller Zeiten überhaupt, so Stefan Schmitt in der ZEIT (5.1.2017) in Post-was? Fakt you!. Das Wort "postfaktisch" entfalte ein fatales Eigenleben, es hülle etwas Häßliches in ein schönes Gewand: "Wer nie analog zu Fake-News (früher einmal: Falschmeldungen) von Fake-Besuchern (statt Einbrechern) oder von Fake-Besitzern (statt Dieben) sprechen würde, der darf auch auf diese Begriffskosmetik nicht hereinfallen. Das Post faktum ist ein Anti faktum, es kommt nicht nach der Tatsache, sondern steht ihr entgegen. Unsinnig ist das, und "Unsinn" soll man dazu sagen ... Das Adjektiv ist so gefährlich, weil sein unreflektierter und inflationärer Einsatz entschuldigend wirkt: Es erklärt die Falschaussage zum Stilmittel, akzeptiert die Desinformation als legitimes Element".

 

Christian Buggisch in seinem Blog (10.1.2017) stellt klar: "Es spiele keine Rolle, ob die News echt sind oder nicht. Entscheidend sei, dass die News stimmen könnten, weil man die beschriebenen Umstände für möglich hält. ... So werden News nicht mehr als Neuigkeiten aus der Wirklichkeit gesehen, sondern als mögliche Neuigkeiten". Dies erinnert stark an das visionäre Konzept des "Komputierens" von Vilém Flusser: Dem Homo Ludens gelingt es als ein kreativer Effekt in den Neuen Medien, "Unmögliches möglich zu machen". Dass dann Blödsinn die Basis für Gesellschaft sein kann, beschrieb ich hinreichend in "Die Macht der Programme".

 

Es kann noch extremer kommen mit dem Unsinn, doch entspricht Flussers Vision: Die Süddeutsche folgt der Tendenz der Automatisierung gefälschter Bilder (Michael Moorstedt, 1.1.2017): Computer digitalisieren Gesichtszüge, Mundbewegungen und Mimik können von einem Menschen auf den anderen übertragen und jedem Menschen ein beliebiges Wort in den Mund gelegt werden. Diese Art der von den Startups der Digitalgläubigen generierten Fake News werden menschlich kaum widerlegbar sein. Das Postfaktische bzw der Unsinn wird zum realen Paradox, wird wahr.

 

Die Debatte um Fake News und das Postfaktische ist verwandt mit den Spielewelten der Virtuellen Realität und katapultiert uns geradwegs dorthin. Demgegenüber erscheint die reale Welt wie eine Wüste.

 

Anstatt Fake-News zu verbieten, sollte die Realität der neuen Medien anerkannt werden, so Martin Burckhardt in der Zeit (15.1.2017). Denn: Es "triumphiert die Simulation. Hieß es früher Video killed the radio star, hat nun das Netz die klassischen Medien aus dem Feld geschlagen." Und auch die Politik ist ein Opfer.  Das ehedem zum Zuschauen verdammte Volk mache sich in basisdemokratischer Selbstermächtigungsgeste bemerkbar. Anstatt ein Verbot oder eine Verstaatlichung der Sozialen Medien einzufordern, müsse das Netz als das ideale Mittel zur asymmetrischen Kriegsführung anerkannt werden. Müssen wir halt in der Simulation weiterkommen.

 

Paul Mason schreibt in der Freitag (12.1.2017): "Werbefinanzierte Geschäftsmodelle fördern das Falsche, das Krasse und Dumme. Und weil alle Geschäftsmodelle in der digitalen Welt die Bildung von Monopolen anstatt die Vielfalt anstreben, ist diese Tendenz heute weitaus schlimmer als in der Ära der gedruckten Schundliteratur oder musikalischer Seichtigkeiten auf Vinyl. ... Die Kapazitäten, die das Internet bietet, um Inhalte zu teilen, werden von den Profitmodellen der Großunternehmen erdrückt. Die Sozialen Medien gehen an der Flut aus Schrott, Fake-News, Promi-Gerüchten und Plastikmusik zugrunde. ... Es herrscht ein gewaltiger Druck, alles so zu erklären, als hätte man es nur mit Idioten zu tun, alle Informationen in die ersten 15 Sekunden zu packen und Beiträge so kurz wie möglich zu halten. ... Wettbewerb ist etwas für Verlierer, Monopole für Gewinner".

 

"Was als neue Öffentlichkeit erscheint, ist in Wirklichkeit Teil eines Privatunternehmens, in dem Hausrecht gilt", so Peter Glaser (13.1.2017) bei Heise.  Dort sei die Mühe vergebens, "soziale Probleme mit technischen Lösungen zu bewältigen". Als Ergebnis bliebe eine "Hornhaut auf der Seele".