Protest und die Kommunikationsguerilla

#gelesen

Protest! - Wie man die Mächtigen das Fürchten lehrt von Srdja Popovic und Matthew Miller - 2015

 

Sehr lesenswert! Ein Ritt durch die Geschichte des friedlichen Widerstands. Srdja Popovic aus

Belgrad stürzte 2000 mit der von ihm mitgegründeten Gruppe OTPOR! Slobodan Milosevic. Seitdem ist Popovic weltweit in Sachen Revolution unterwegs, gibt Seminare, Empfehlungen und Warnungen - Attac hält er wegen des zu aggressiven, einseitigen und also nicht globalisierbaren Namens wegen für gescheitert.

 

So leidenschaftlich die Anregungen sind und so süffig das Buch geschrieben ist, Letzteres ist durchaus nachträglich: Es liest sich wie flottes Kleines Fernsehspiel für Aufmüpfungswillige - im Tonus eines Alterswerks. Es kommt zwar wild und frech und leidenschaftlich daher, ist aber ehr ein Lexikon der Umstürze als ein Seelenverstärker für Protest.

 

in diesem Zusammenhang #nochmalgelesen:

Handbuch der Kommunikationsguerilla von Luther Blissett & Sonja Brünzels, 1997 - Die Anleitung zum subversiven Aktionismus rezensierte ich einst für "European Photography".

 

Der wie ein ´Wie repariere ich mein Auto´ aufgemachte Ratgeber verspricht ´Pannen zu beheben´: die Panne Öffentlichkeit. Das Buch stiftet dazu an, das Gelingen öffentlicher Vermittlungsprozesse außer Kraft zu setzen. Die Kunst des Fälschens ist Programm. Vortrefflich eignen sich beispielsweise Hauswurfsendungen und Plakate zur Agitation - sei es zur Aufforderung von Notopfern für Arbeitgeber, zu Bekanntgaben von Gasmaskenausgaben, des Entsorgens ´gebrauchter Batterien in den Briefkästen der Bundespost´, oder der Verlegung einer Wahlveranstaltung in einen Nachbarort. Nachahmenswerte Beispiele gibt es reichlich. So standen während des Berliner Weltklimagipfels - wie empfohlen - Kühlschränke ´gut sichtbar an der Straße´, nachdem die Stadtreinigung zu einer ökologischen Sonderaktion aufgerufen hatte. Oder Tatort München: Schwarzfahrer hatten es während des Weltwirtschaftsgipfel schwarz auf weiß, denn die gefälschte Kundenzeitung des MVV bat darum, S- und U-Bahnen kostenlos zu benutzen, ´um einen Verkehrskollaps zu vermeiden´.

Die ´Kommunikationsguerilla´ bietet vorbildliches Anschauungsmaterial fürs kommunikative Dreinschlagen. Schließlich ist das falsche Leben im richtigen Konformismus produktiver als die zeitgemäße Correctnes zur falschen Zeit. Aber: Vom Einfallsreichtum der ´Spaß-Guerilla´ haben alle längst gelernt: Institutionen und Parteien nutzen die Irreführung, um die eigene Macht subversiv zu stärken. Nicht nur die Verlautbarungspolitiker, auch die Medien sind professionelle Fake-Factories. Der gesellschaftliche Hauptprozessor scheint auf Zersetzung programmiert, die Subversion selbst oberstes Prinzip zu sein.

 

Fazit:

Das Buch zur ´Kommunikationsguerilla´ schien mir schon damals ein wenig kindisch, "Protest" dagegen ist mir zu aggressionslos. - Nun ja: es soll aber auch um friedlichen Widerstand gehen. Also: weiter so!

 

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